12.10.2014
Ich habe mir die Frage gestellt, was wohl alles zu tun wäre, wenn ich eine Maschine erfunden hätte, die Gratis-Energie in unbeschränktem Ausmaß liefern könnte. Wenn ich also neben den bekannten Gesetzen der Physik ein weiteres entdeckt hätte, das den Energieerhaltungssatz relativieren würde, und das deshalb in seiner Tragweite mindestens als „Revolution“ bezeichnet werden könnte. Um einen Nobelpreis müsste ich mich nicht kümmern, der käme ganz von selber. Aber all die anderen Schritte, um dies bekannt zu machen?
Nun, zunächst würde ich es mal vermeiden, dass ich irgendwelche Universitäten oder Fachzeitschriften darüber informiere. Bloß nicht! Bestenfalls würde ich es total unverständlich verklausuliert auf einer schlecht gemachten Homepage so ganz nebenbei erwähnen. Ich würde keinesfalls versuchen, diese Maschine selber zu vermarkten, indem ich mir die grundlegenden Prinzipien dafür patentieren ließe. Absichern? Wo denkst du hin! Ein ganz klein wenig müsste ich es aber doch bekannt machen, sonst könnte ich mir meinen Wunsch ja nicht erfüllen. Also würde ich ein paar Videos drehen, in denen möglichst alles, worauf es ankommt, gut versteckt wird. Ich würde Gerüchte streuen, damit die Leute nur ja nicht draufkommen, woher die Energie letztlich kommt. Größere Städte und Ansammlungen von Experten würde ich grundsätzlich meiden. Meine Vorführungen würde ich deshalb in möglichst kleinen Gemeinden abhalten, wo die Gefahr gering wäre, dass sich ein echter Professor dorthin verirrt. Und selber vorführen? Nein – das sollen doch besser andere machen. Am besten wären dafür Vereine geeignet, bloß keine renommierten Firmen oder Institute. Vereine, die ein bisschen herumbasteln und möglichst wenig Kompetenz unter ihren Mitgliedern haben. Die Vorstandsmitglieder sollten nach Möglichkeit komplett blank sein, was ihre Physik-Kenntnisse betrifft. Es würde nicht leicht sein, einen solchen Verein zu finden, aber ich würde mein Bestes tun, um einen solchen zu finden.
Irgendeinen Prototypen würde ich natürlich bauen müssen, das lässt sich nun mal nicht vermeiden. Aber im eigenen Land würde ich diesen natürlich nicht bauen. Ich würde ihn mindestens 1000 km weit weg bauen lassen! Und auch dort würde ich ihn so bauen, dass er total unglaubwürdig wirkt. Ich würde dort alles fix installieren, sodass man unter keinen Umständen den Verlauf der Kabel etc. erkennen kann. Antriebswellen und Ähnliches würde ich extrem unterdimensionieren und beten, dass mir die Trümmer nicht gleich bei der ersten Inbetriebnahme um die Ohren fliegen.
Für die Vorführungen, die andere (auf keinen Fall ich selber!) an möglichst unbedeutenden Orten machen würden, würde ich ein Modell bauen, in welchem eine gut sichtbare Batterie eingebaut ist, welche groß genug dimensioniert wäre, diese versprochene Energie für die kurze Zeit zu liefern, in welcher die Maschine gezeigt wird. Die Leute sollen ruhig sehen, dass ich kein Schwindler bin! Ich würde es auf alle Fälle vermeiden, die Maschine so lange laufen zu lassen, dass eventuell der Verdacht aufkommen könnte, sie würde tatsächlich Energie liefern. Dies müsste auf alle Fälle vermieden werden!
Die Vorführenden müssten eine Grundbedingung erfüllen: Sie dürfen keinesfalls in der Lage sein zu erklären, woher die Energie kommt. Jeder, der diese Grundbedingung erfüllt, könnte ein Vorführender werden. Besser wäre natürlich noch, wenn überhaupt keine technischen Kenntnisse vorhanden wären. Eventuell grade so viel, dass man damit einen neuartigen Käsehobel zum Stückpreis von Euro 14,50 verkaufen könnte. So etwas wird im Allgemeinen auf irgendwelchen Provinzmessen in Kleinstädten angeboten und dafür braucht man „Marktschreier“. Es würde nicht leicht sein, einen solchen zu finden, der gleichzeitig auch noch die Funktion eines Vereinsvorstandes innehat (das wäre natürlich der Idealzustand, den es anzustreben gilt ...), aber ich bin ein hartnäckiger Mensch und ich würde alles, wirklich alles daransetzen, einen solchen Idealkandidaten zu finden.
Für die eigentliche Abwicklung bleiben jetzt nur noch wenige Dinge zu tun. Zum Beispiel müsste dafür gesorgt werden, dass so ein Modell nie von anderen zerlegt werden dürfte. Anschauen und ein bisschen herummessen – ja. Aber richtig zerlegen oder nachbauen – nein! Da würde ja die Grundbedingung gefährdet sein, dass ich preisgeben müsste, woher die Energie käme. Ein fertiges Gerät liefern? Mann, dass du so dumm bist, einen solchen Gedanken auch nur anzudenken, das hätte ich jetzt nicht von dir erwartet! Ich werde doch keine fertigen Geräte liefern! Die Leute sollen das gefälligst selber zusammenbauen! Und am besten sollen sie vorher, bevor sie überhaupt irgendetwas zu sehen bekommen, gleich mal Kohle zu mir rüberschieben. Möglichst gleich ein paar Tausender! So macht man das als Profi – und ich bin ein solcher! Termine einhalten? Das ist unnötig. Am besten die Leute möglichst hinhalten, aber natürlich immer viel versprechen, das man hinterher ohnehin nicht halten muss.
Ein kleines Problem möchte ich noch erwähnen, das sich ergeben könnte, obwohl alle Beteiligten sich wirklich gut anstrengen: Es könnte passieren, dass am Rande des Geschehens einzelne Menschen auftauchen, die Berechnungen nach der alten, natürlich längst von mir überholten Physik anstellen. Solche lästigen Menschen gibt es nun mal auf dieser Welt, sie wollen einfach nicht aussterben. Aber auch dafür gibt es eine durchaus brauchbare Lösung: Ignorieren! Einfach ignorieren, diese Ignoranten, die noch immer in der mittelalterlichen, uralten Physik (Energieerhaltungssatz und ähnlicher Blödsinn) leben.
Jetzt bleiben nur noch ein paar Feinheiten zu tun, um die Sache wirklich rund und schlüssig zu machen. Da die eigentliche Arbeit des Präsentierens und Geldeinsammelns ja andere machen (mit solch banalen Dingen geben sich Jahrtausend-Erfinder wie ich nicht ab), bleibt mir die noble Aufgabe, all das umzusetzen, worauf es wirklich ankommt. Ich widme mich also den Großkraftwerken – im Mega- oder gar Gigawatt-Bereich, und das gleich in enormen Stückzahlen (bis zur Größenordnung einer positiven Null). Schließlich soll ja die ganze Menschheit von mir, der Heilsgestalt, profitieren. Ich würde also dort anfangen, wo es wirklich brenzlig ist, dort, wo schon jetzt die Dichte an Atomkraftwerken pro Quadratmeter beängstigend hoch ist ... welches Land würde sich dafür wohl am besten eignen? Die Mongolei? Hmm, ja, keine schlechte Wahl! Ihr seht schon, mein Genius kommt richtig in Fahrt ... aber mehr verrate ich euch für heute noch nicht, ein paar kleine Geheimnisse möchte ich mir natürlich noch behalten. Schließlich bestünde ja sonst die Gefahr, dass irgendeine dubiose Firma mir mein Konzept klaut und selber alles richtig macht! Also, lieber Leser, ... pssst ... behalte es für dich ... versprochen?
Dein heute so richtig hämisch grinsender
Böser Wolf
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