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24.02.2019

Damals

Max und Moritz, die beiden kleinen Racker, balgten sich in der schon wärmer werdenden Frühlingssonne und lehnten sich dann lachend zurück, um sich von der kleinen Rauferei auszuruhen. Sie waren gut drauf, denn gestern hatten sie von ihrem Urur-Opa einen Tipp bekommen, wie sie vielleicht den diesjährigen Preis der besten Geschichtenerzähler in der Kategorie „Unglaublich, aber wahr“ gewinnen könnten. Der Urur-Opa hatte ihnen nämlich eine kleine Episode aus seinem eigenen Leben erzählt: „Als ich meinen größten Fehler machte“, sollte der Titel lauten. Der Urur-Opa hatte ihnen erzählt, dass er vor langer, langer Zeit einmal das Fell eines Wolfes übergezogen hatte und etwas getan hatte, was damals, zu seiner Zeit, als er noch ein Jüngling im zarten Alter von kaum 60 Jahren gewesen war, noch als ziemlich gefährlich galt. Er hatte ein paar Gauner als Gauner bezeichnet! Damals war der Urur-Opa noch etwas unerfahren. Denn er hatte in jener finsteren Zeit zwar schon lange begriffen, dass Geld das beste aller Mittel war, um andere Menschen für seine eigenen Zwecke zu benutzen, aber er kannte die wirklichen Mechanismen noch nicht so recht. Er war schon beim Militär gewesen (jedes gesunde männliche Wesen musste damals für eine gewisse Zeit „einrücken“) und hatte begriffen, was man unter einem „geistigen Vakuum“ zu verstehen hatte. Er hatte es selber erlebt und wusste es daher.

Er kannte die männliche Variante des tiefstmöglichen Punktes, den ein Mensch in geistiger Hinsicht hinabsteigen konnte. Er wusste, was Soldaten waren: Menschen, die auf Befehle reagierten und dann sogar einfach andere Menschen erschossen. Auch in Massen, wenn es „befohlen“ wurde. Einer, der selber nie ein Gewehr in die Hand nehmen würde, stand ganz vorne und gab einen „Befehl“. Daraufhin ging ein anderer ein paar Schritte weiter und gab diesen „Befehl“ an andere, ihm „untergeordnete“ Menschen weiter. Diese wiederum gaben diesen „Befehl“ wieder an andere weiter, die ihn schlussendlich in die Tat umsetzten und Bomben und Granaten auf andere Menschen warfen, die sie nie kennengelernt hatten, denen sie nie begegnet waren und die ihnen nie etwas getan hatten. Damals funktionierte das alles noch. Die Menschen befolgten „Befehle“, weil sie Angst hatten, dass sie im Fall einer Weigerung selber erschossen werden würde. Niemand, wirklich niemand, hatte ein Interesse daran, eine Granate in die Hand zu nehmen und Abertausende andere Menschen abzuschlachten. Dennnoch wurde es gemacht. Jahrtausende lang. – Nun, das war die männliche Variante des geistigen Vakuums.

Aber da wir in einer „dualen“ Welt leben, die jeweils immer auch ihr eigenes Gegenstück kennt, gab es neben der männlichen Variante natürlich auch die weibliche Variante des geistigen Vakuums. Diese Variante war verkörpert in Gestalt einer Frau, der man die Augen verbunden hatte. In einer Hand hielt sie eine Balkenwaage und in der anderen Hand ein Schwert (das Schwert symbolisierte die „Gewalt“ – schließlich war sie die Schwester des Militärs). Diese beiden Geschwister arbeiteten im Wesentlichen mit der gleichen Methode: Angst verbreiten. Jedermann sollte möglichst große Angst vor ihm, dem Militär, oder vor ihr, Justitia, haben. Der Militär ließ Menschen in anderen Ländern umbringen, ohne sich sorgen zu müssen, dafür bestraft zu werden. Justitia war für das „Strafen“ im eigenen Land zuständig, ohne sich sorgen zu müssen, dafür in Frage gestellt zu werden.

Der Militär hatte für das Ausführen seiner „Befehle“ seine Soldaten. Justitia hatte dafür Richter und Anwälte. Wenn zwei Menschen uneins waren, dann zogen sie nicht in die Schlacht sondern vor Gericht. Wenn diese zwei Menschen über sehr viel Geld verfügten, dann beauftragten sie dafür nicht ein Heer von Soldaten, sondern ein Heer von Anwälten. Die Soldaten kämpften mit Gewehren und allen möglichen Waffen, die Anwälte benutzten eine geheimnisvolle Sprache und unglaublich komplizierte „Paragraphen“. Möglichst niemand sollte ihr Treiben verstehen können, denn wenn herauskäme, dass sie vollkommen unnütze Dinge taten, für die sie unverschämt viel Geld kassierten, dann würde man das tun, was man in den letzten Jahren, in denen es noch die Letzten ihrer Zunft gab, tatsächlich getan hatte. Ihr erinnert euch an den Aufstand der Putzfrauen? Natürlich, jedem Kind ist heute diese Geschichte bekannt.

Es war eine Putzfrau, die den Stein ins Rollen brachte. „Putzfrauen“ nannte man damals jene Menschen, die eine der absolut wichtigsten Tätigkeiten, die ein Mensch tun konnte, erledigten. Sie waren absolut wertvolle Menschen, denn sie räumten den Dreck weg, den andere liegengelassen oder produziert hatten. Sie sorgten dafür, dass jene, die sich diese schwere und unangenehme Arbeit nicht antun mochten, sich wohl fühlen konnten.

Damals bekam eine solche Putzfrau (es waren fast immer Frauen, daher Putz-Frau), etwa 10 EURO (das war damals in Europa die am häufigsten verwendete Währung) für eine ganze Stunde dieser schweren, aber wichtigen Arbeit. 10 Euro entsprachen in etwa dem Wert einer Pizza. Ein „Anwalt“ (einer der Soldaten von Justitia), nahm für einen „Protokollergänzungsantrag“, um ein Beispiel zu nennen, das 50-fache, also 500 Euro. Ein „Kostenbestimmungsantrag“ war vergleichsweise günstig, den konnte man schon für den halben Preis haben. Wenn ein Anwalt neben einem „Kläger“ oder einem „Angeklagten“ Platz nahm, dann kostete das in der Stunde etwas mehr als 500 Euro. War eine Putzfrau angeklagt, dann kassierte der Anwalt, der neben ihr saß, 500 Euro pro Stunde, während sie selber in der gleichen Zeit, neben ihm sitzend ... nichts erhielt. Es gab auch Anwälte, die es für weniger machten. Nie jedoch ist ein Fall von einem Anwalt bekannt geworden, der 10 Euro in der Stunde verlangt hätte. War der Anwalt ein „Staranwalt“, dann konnte die Stunde auch problemlos 5000 Euro kosten. Es ist allerdings kein einziger Fall überliefert, in welchem eine Putzfrau einen Staranwalt beauftragt hätte.

Die Höhe dieser Kosten sollte eine abschreckende Wirkung haben. Niemand sollte es wagen, Justitia zu belästigen. Man wusste im Vorhinein nie, wieviele Stunden so ein Anwalt neben einem sitzen würde, wieviel Papier er beschreiben würde müssen und überhaupt – wie das Verfahren ausgehen würde. Denn auch wenn man stets die „Wahrheit“ sagte, so war das noch lange keine Garantie, auch „Recht“ zu bekommen. Das „Recht“ sprach der Richter. Und wenn man damit nicht einverstanden war, dann konnte man in den meisten Fällen einfach „in die nächste Instanz gehen“. Das war nichts anderes, als dass man seinen Anwalt weiter fütterte und anschließend vor einem weiteren Richter stand. Man nannte diese Reise damals „den Weg durch die Instanzen gehen“. Man konnte dabei problemlos das Ersparte eines ganzen Berufslebens verlieren und für den Rest seines Lebens pleite sein. Es war ein gefährlicher Weg.

„Hast du das wirklich so erlebt, Urur-Opa?“ Moritz unterbrach den alten Mann nur ungern in seinem Erzählfluss, aber es war wirklich ziemlich unglaublich, was er da erzählte.

„Ja, das habe ich alles selber erlebt! – Es war tatsächlich so, dass Tausende Menschen wussten, dass die Gauner Gauner waren. Aber nur einige wenige trauten sich, eine ‚Anzeige‘ zu machen, in der sie einem Gericht schilderten, dass es sich um Gauner handelte. Es gab tatsächlich ein paar wenige solcher Anzeigen. Aber die Gerichte oder Staatsanwälte interessierten sich nicht dafür. Die wären erst dann aktiv geworden, wenn ein Geschädigter diese Anzeige gemacht hätte, einer, der bereits um eine größere Summe geprellt worden wäre. Vielleicht gab es auch solche, die tatsächlich größere Summen verloren haben (mir ist jedenfalls nur der Fall des Vereins GAIA bekannt, der – soweit gemunkelt wurde – eine Dreiviertel Million verbraten hatte). Aber diese Menschen waren wohl still geblieben, denn die Blamage, zuzugeben, dass sie auf einen so unglaublich plumpen Betrug hereingefallen waren, hätte ihnen sehr viel mehr wehgetan als der Verlustes ihres Geld.“

Der alte Mann hielt inne und räusperte sich. Er seufzte und sprach dann ein wenig über den größten Fehler in seinem Leben. Er war ein Mensch gewesen, der es gewohnt war, auf sich selber zu vertrauen, seiner eigenen inneren Stimme zu folgen und möglichst wenig auf andere Menschen zu hören, wenn es darum ging, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Aber damals gab es eben jenen Vorfall, als er Gauner als Gauner bezeichnet hatte, und diese Gauner hatten daraufhin nach einigen erfolglosen Anfangsversuchen „einen Anwalt von der Leine gelassen“. Ihr kennt die Geschichte ... Tausende Menschen hatten sie gelesen, und viele hatten verstanden, dass es durchwegs wahr war, was er geschrieben hatte. Aber alle Menschen wussten eben auch, dass es wirklich gefährlich sein konnte, wenn man „mit Justitia zu tun hatte“. Alle(!) waren sie der Meinung, dass er sich unbedingt auch einen solchen Anwalt nehmen sollte, einen, der seine Sache verstand und der ihm helfen würde, das ihm völlig unbekannte Terrain der Justiz wieder heil zu verlassen. Der Urur-Opa von Max und Moritz war nicht leicht zu biegen. Entgegen dem Rat all dieser vielen Menschen, die es alle „gut mit ihm meinten“, erschien er ohne eine „Begleitung“ vor dem Richter. Und es folgte, was ihr heute alle wisst. Der Richter war verärgert, denn ohne einen Anwalt würde es etwas mühsamer für ihn werden, „Recht zu sprechen“. Das Verfahren würde „nicht so strukturiert ablaufen können“, wie er es gewohnt war. Und so knickte der damals in solchen Dingen noch völlig unerfahrene Mann ein. Er beauftragte zum ersten und zum letzten Mal in seinem Leben einen Anwalt (er machte denselben Fehler kein zweites Mal). Es galt die Frage zu klären: Stimmte es, dass die Gauner tatsächlich Gauner waren? Einzig diese Frage galt es zu klären. Mehr war nicht zu tun. Die Frage erschien einfach, aber um einen Richter (der davon wenig bis nichts verstand) zu überzeugen, brauchte es „Sachverständige“. Und so ging dieses Spiel los, das von vornherein nur den einen Zweck hatte, den „Angeklagten“ einzuschüchtern und Zeit zu gewinnen. Man konnte den Richter problemlos nach Strich und Faden belügen und verarschen. Man hatte nichts zu befürchten als „Kläger“. Es kostete eine Stange Geld, diese Sachverständigen zu beschäftigen und auch diese zu verarschen. Aber all das war nicht wichtig, denn das ganze Verfahren war ohnehin nur eine Show – nichts als heiße Luft. Es war von Anfang nie vorgesehen gewesen, so etwas wie „Wahrheit“ ans Licht kommen zu lassen. Es würde nie ein „Urteil“ geben, denn wenige Minuten vor Ende der Show würde man „das Licht abdrehen“ und die Sachverständigen, den Richter und die Anwälte wie begossene Pudel dastehen lassen und einfach nach Hause gehen.

Die Kosten würden die Gauner so lange als irgend möglich nicht begleichen. Erst im allerletzten Moment würde man zahlen. Sie wussten Bescheid darüber, dass Justitia ein lächerliches, altes und längst blindes Weib geworden war, das nicht einmal die Kraft hatte, sie an den Ohren zu ziehen. Und als dann der Boden unter ihren Füßen im Laufe der Monate dennoch zunehmend heißer wurde (denn diese Webseite, auf der weiterhin unverändert behauptet wurde, dass sie Gauner waren, blieb unverändert bestehen), da wanderten sie in ein fernes Land aus, in dem eine fremde Sprache gesprochen wurde und sogar eine fremde Schrift verwendet wurde – nach Thailand.

Ja, lieber Max und lieber Moritz, euer Urur-Opa hat nach Ablauf der „Frist“ von seinem Anwalt erfahren, dass die Gauner ihre Rechnung nicht begleichen wollten. Und daraufhin hat sein Anwalt eine weitere „Kostenforderung“ an ihn gestellt und ihm geraten, er möge sich zwei weitere Anwälte nehmen, einen in der Schweiz und eine Anwältin in Deutschland, denn die Kläger hätten ihren „Firmensitz“ ja sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland. Aus einem Anwalt würden also plötzlich drei werden, in drei verschiedenen Ländern. Und um diese beiden Kollegen in den beiden anderen Ländern überreden zu können, tätig zu werden, wäre bitteschön ein weiterer Kostenvorschuss von 1.000 Euro zu überweisen. Wobei nicht klar war, wieviel da noch dazukommen würde und ob deren Tätigkeit überhaupt erfolgreich sein würde ...

Das war der Punkt, an dem es eurem Urur-Opa „die Kette ausgehängt hat“. An diesem Punkt war ihm endgültig klar geworden, was für ein perfides Spiel hier gespielt wurde. Nicht die Gauner waren das Problem, mit dem er es zu tun hatte. Diese waren im Grunde harmlos, denn sie hatten ohnehin Angst davor, dass die Wahrheit auch „offiziell sichtbar wurde“. Nein, sein Problem war Justitia, dieses schäbige alte Weib! Sein Problem war, dass dieser Apparat, den die blinde Frau befehligte, ihn aufzufressen drohte. Wenn es darum ging, irgendeine „Wahrheit“ herauszufinden, war Justitia nicht die Lösung, sie war das Problem!

An diesem Punkt zog euer Urur-Opa also die Notbremse. Er sagte sich: Ach, leckt mich doch alle am Arsch! Ihr könnt mich mal, und zwar kreuzweise! Er beantwortete einfach die Mails seines eigenen Anwalts nicht mehr. Er ließ den Anwalt einfach Anwalt sein. Es war ihm vollkommen wurscht. Sollte der doch mit seinem Schlamassel alleine zurechtkommen. Sollte der doch selber dafür sorgen, dass er sein Geld erhielt. Euer Urur-Opa hatte eine Entscheidung getroffen. Er würde die Verantwortung für sein Handeln wieder selber in die Hand nehmen. Er würde einfach nicht mehr auf das hören, was diese „teuren Menschen“ ihm sagten. Und siehe da, das Wunder geschah! Denn ein paar weitere Monate später kam wieder eine Mail von seinem Anwalt, in welcher dieser ihm mitteilte, dass die Gauner nun die Forderung von 7.918,65 Euro beglichen hätten. Angehängt an die Mail war ein „Kostenverzeichnis“, in dem aufgelistet war, was er alles für seinen Mandanten getan hatte. Summa summarum stand unterm Strich der Betrag von 12.984,59 Euro. Die Gauner hatten ihm davon 7.918,65 Euro erstattet, sein Mandant hatte ihm bereits einen „Vorschuss“ von 2.400 Euro und Reisespesen von 1.004,06 Euro ausgelegt. Es fehlten also nur noch weitere 1.661,88 Euro. In der Mail an seinen Mandanten, an welche das Kostenverzeichnis angehängt war, schrieb er, „... kann ich mir vorstellen, auf einen darüber hinaus gehenden Kostenanspruch nicht zu bestehen.“ Das hieß wohl, die Show war zu Ende. Sein eigener Anwalt würde sich mit den erhaltenen 11.322,71 Euro zufrieden geben und ihn für den „Rest“ nicht verklagen.

Euer Urur-Opa ist nicht sauer auf den einzigen Anwalt, den er je beschäftigt hat. Nein, im Gegenteil. Ihm war vollkommen bewusst, dass er im Grunde Glück gehabt hatte mit ihm. Denn es hätte weitaus schlimmer kommen können. Aber er wollte ab diesem Zeitpunkt nie mehr wieder etwas mit einem „Soldaten Justitias“ zu tun haben. Er hatte verstanden, dass es bei Gericht nur darum gegangen war, „Angst zu erzeugen“. Es hatte sich nie die Frage gestellt, was denn nur „wahr“ wäre. Das wusste ohnehin jeder, der einen halbwegs gesunden Verstand hatte. Es war nur darum gegangen, einen bestimmten Formalismus einzuhalten. Und dazu gehörten nun mal mindestens zwei Anwälte, einer auf jeder Seite des Richters. Was der Anwalt tun musste? Nichts, was in irgendeiner Weise zur Wahrheitsfindung beitrug. Der Anwalt sagte ihm, was er, der Angeklagte, sagen oder schreiben dürfe und was nicht. Er hielt dem Angeklagten eine Standpauke, wenn dieser sich wieder mal nicht genau „an die Regeln hielt“. Er war dabei, als der Angeklagte in der Halle der Gauner wie ein Verbrecher behandelt wurde. Diesen „Tagesausflug nach Köln“ verrechnete er mit 3.102,44 Euro. Zusätzlich durfte sich sein Mandant auch noch um die Reisespesen in Höhe von etwas mehr als 1.000 Euro kümmern und diese bezahlen. Der Anwalt musste nur ab und zu, möglichst „zum richtigen Zeitpunkt“ etwas sagen. In einer Sprache, die sein Mandant nicht wirklich verstand. Zu einem Preis, der ... nun, die Geschichte vom Aufstand der Putzfrauen kennt ihr ja. Ihr wisst, wie sie ausgegangen ist. Es gab da vor etlichen Jahren – Moritz, der Ältere war gerade erst geboren und Max noch nicht auf der Welt – jene Putzfrau, der man so wie seinerzeit eurem Urur-Opa einen Anwalt aufschwatzte. Die Putzfrau hatte etwas Ähnliches erlebt wie euer Urur-Opa. Sie war eine selbstsichere Frau mit klarem Verstand. Und als diese Putzfrau begriffen hatte, dass es in ihrem Fall lediglich darum gegangen war, „Papier zu produzieren“, da hatte sie ihren Anwalt, der sie in einem halben Tag mehr gekostet hatte als sie in einem ganzen Jahr zur Seite legen konnte, mit ihrem nassen, dreckigen Putzfetzen aus ihrem Haus gejagt. Und Tausende andere Putzfrauen hatten sich ihr angeschlossen und hatten die Richter und deren Helfer alle aus dem Gerichtsgebäude gejagt. Das war der Beginn des Großen Putzfrauen-Aufstandes. Die Revolte dauerte mehrere Wochen. Ein Land nach dem anderen schloss sich dem Beispiel der mittlerweile bekanntesten Putzfrau der Welt an und in Tausenden von Gerichtsgebäuden jagten Millionen ihrer Berufskolleginnen diese „teuren Menschen“ auf die Straße. Ihre Fetzen waren damals allesamt dreckiger und stinkender als je zuvor.

Heute ist dieser Spuk vorbei. Ein paar Gerichtsgebäude hat man zu Museen umgebaut, einige zu Schulen, andere hat man abgerissen. Käme heute jemand daher und würde behaupten, er hätte eine Maschine erfunden, welche ... ihr wisst schon, was ich meine ... heute würde man einfach sagen: „Zeig her was du hast, lass das Ding ein paar Wochen lang laufen! Und wenn du das nicht kannst, dann halt die Klappe und geh wieder nach Hause!“ Wir brauchen heute keine „teuren Menschen“ mehr, die uns sagen, was „Recht“ ist. Wir wissen das selber. Jeder von uns weiß, was „rechtes Verhalten ist“. Es ist gar nicht schwer. Und wenn wir wirklich Schwierigkeiten haben, uns zu einigen, dann setzen wir uns zusammen und finden eine Lösung, mit der alle gut leben können. Wir finden sie immer! Wir haben dafür heute ein paar wenige weise Frauen und Männer, die uns in diesen wirklich schwierig Fällen helfen. Wir brauchen sie nur selten.

„Und was ist aus diesem Verein geworden, der den Stein ursprünglich ins Rollen gebracht hat?“, will Max noch wissen. „Du meinst den Verein GAIA?“ Der alte Mann schüttelt bedächtig seinen Kopf und kramt in der Erinnerung. „Die Geier trieben, nachdem ihnen klar geworden war, dass sie beschissen worden waren, einfach die nächste Sau durchs Dorf. Sie hatten nichts aus der Sache gelernt, gar nichts. In Südkorea hatten sie ein paar Ersatz-Gauner gefunden, die ihnen weismachten, dass man aus einer Kunststofftrommel, in die ein paar Magnete eingeklebt waren, ewig Energie herausholen könne ...“

„Ach, Urur-Opa, jetzt verarschst du uns aber! Das ist ja fast genauso dämlich wie das Verhalten dieser blinden Frau, von der du uns erzählt hast.“

„Nein, ich verarsche euch nicht. Aber ich kann euch nicht sagen, was aus den Geiern geworden ist – ich weiß es nicht. Ich habe mich nicht mehr darum gekümmert. Ich habe damals das Fell des Wolfes an den Nagel gehängt und mir gesagt: Ich habe Besseres zu tun. Und das hatte ich dann auch.“

 
 
 

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